Die Bessamatic gilt als eine der ersten wirklich gut funktionierenden Spiegelreflexkameras der Geschichte und da ich mich neben dem künstlerischen Aspekt der Fotografie auch sehr für die technische Geschichte interessiere, wollte ich schon immer diesen kleinen Meilenstein von Voigtländer ausprobieren.
Leider war das erste Exemplar, welches ich in die Finger bekommen habe, defekt. Was bei diesem Alter und in der Verbindung mit der doch recht komplizierten Mechanik, nicht weiter verwunderlich. Funktionierende Exemplare sind leider recht rar. Umso größer war die Freunde, als mir mein Großvater sein funktionierendes Exemplar hinterlassen hat.
Ich habe also meine neue Bessamatic mit Kentmere 100 Film geladen, welcher später für 5 Minuten und 30 Sekunden bei 20° Celsius in Rodinal 1+25 landen wird, und mir um den Hals gehängt, um damit den ‚Outerrim‘ des Bergischenlandes zu erkunden.
Das erste was mir auffiel war, dass das gute Stück doch ein ziemlicher Brocken ist. Auf der einen Seite von den Ausmaßen und auf der anderen Seite vom Gewicht her. Für einen kurzen Ausflug soweit kein Problem, aber auf einer längeren Tour kann das ganz schell zur Tortur werden.
Besonders gefreut habe ich mich auf das Objektiv, denn den Color-Skoparen geht ein beinahe legendärer Ruf voraus. Am Ende war ich mit den Ergebnissen sehr zufrieden und vor allem von der guten Detailwiedergabe und den Kontrasten überrascht.
Was auffällt, sobald man das Objektiv abnimmt ist, dass die Linse selber kaum ins Gewicht fällt, da die gesamte Blendensteuerung samt Einstellring Teil des Kamerakorpuses ist. Auch die Steuerung von Verschlusszeit und Blende läuft für heutige Verhältnisse sehr ungewöhnlich.
So wählt man die Blende nicht vorne am Objektiv, sondern an einem Rad oben auf der linken Seite des Kameragehäuses. Will man die Zeit ändern, so bewegt man vorne vor dem Objektiv einen Ring an der Kamera. Dieser ändert aber nicht nur die Verschlusszeit, sondern die Blende gleich mit. Dadurch schaltet man, für den aktuellen Lichtwert passend, alle Blende / Zeit Kombinationen durch.
Unter freiem Himmel und bei anderen konstanten Lichtverhältnissen, kann man so schnell seine Blende ändern, ohne zusätzlich noch ein Zeitenrad zu bemühen oder umgekehrt. Auf der anderen Seite, ist eine solche Arbeitsweise sehr ungewohnt.
Zudem ungewohnt ist die Kombination aus Spiegelreflexsucher und Zentralverschuss, denn die Bessamatic setzt nicht wie heutige SLRs auf einen Tuch- oder Titanlamellenverschluss hinter- sondern auf einen Compurverschluss vor dem Spiegel. Dieser ermöglicht es zwar in der Theorie auch bei einer 500stel Sekunde zu blitzen aber verlangt auch eine etwas andere Bauweise.
Diese führt unter anderem dazu, dass nach dem ersten Schuss erst mal Schicht im Schacht ist. Es wird also dunkel, bis man die Bessamatic erneut spannt. Diese verfügt zwar über einen Schnellspannhebel aber diese Bezeichnung muss im Geist der Zeit verstanden werden, so muss man selbigen um gute 270° gegen einigen Widerstand drehen, was man der Langlebigkeit zu liebe auch nicht zu ruckartig tun sollte.
Die Bessamatic ist also langsam und auch der Spiegelreflexsucher ist in Sachen Helligkeit ebenfalls nicht mit modernen SLRs zu vergleichen, denn der eingebaute Schnittbildindikator schattet schon in schlech beleuchteten Innenräumen sehr schnell ab und auch die Mattscheibe, damals ‚State of the Art‘, ist besonders in den Ecken nicht das präziseste Werkzeug, wenn es um einen perfektsitzenden Fokuspunkt bei Offenblende geht.
Auch wenn die meisten etwas altbacken Features der Bessamatic einen eher behindern oder wie man heute so schön sagt ‚entschleunigen‘, so halte ich ein Feature für absolut genial. Die zu erwartende Tiefenschärfe wird, je nach gewählter Blende, mit zwei roten Klammern direkt auf der Entfernungsskala der jeweiligen Objektives angezeigt. So kann man binnen Sekunden für eine Landschaftsaufnahme sofort auf Unendlich bis X schalten, ohne viel nachzudenken und die Schärfe sitzt.
Leider ist bei den meisten Modellen die Selenzelle ausgebrannt, welche einem die Belichtung sogar im Sucher anzeigen könnte. Auch wenn bei meinem Exemplar die Nadel noch recht plausible Ergebnisse anzeigt, so habe ich mich doch lieber auf meine bewährten Handbelichtungsmesser verlassen. Trotzdem wäre noch zu bemerken, dass die Bessamatic, neben der Objektmessung auch zur Lichtmessung fähig ist, wenn man einen im Deckel der Bereitsschaftstaschen verstauten Filter vor die Selenzelle klippst.
Alles in allem ist die Bessamatic aus heutiger Sicht Schwer, ungewohnt zu bedienen und Laut aber das Color Skopar mit seiner tollen Detailzeichnung macht das alle Male wett, wenn es nicht gerade schnell gehen muss.
P.S.
Von der Verwendung des Color Skopar an einer Digitalkamera ist übrigens dringen abzuraten.